Ich habe mir die letzten Tage viele Gedanken gemacht um die Menschen, die mich so umgeben. Ich war versucht, mich über Personen zu ärgern. Ich wollte mir hier Luft machen. Als ich also beschlossen hatte, über meine Psychohygiene zu bloggen, wollte ich schreiben, was mich aufregt. Komischerweise bin ich aber nun soweit, dass es mich eigentlich gar nicht so sehr… beschäftigt, dass ich dem Thema einen Blogpost widmen möchte. Unerwarteterweise ist das Ärgernis sehr schnell vergangen, es wurde mir klar, wie nichtig der Inhalt, der Grund war. Ich hab sogar gedanklich den Kopf geschüttelt, wie es mir in den Sinn kam, mich damit auseinanderzusetzen. Wie ich finde, haben (gezielte und passierte) Angriffe keine Stimme. Ich drücke gedanklich den „mute“ Knopf. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, die Sache zu ignorieren, und mich inhaltlich Ähnlichem, aber doch völlig Konträrem zuzuwenden. Dem Gegenteil, genauergesagt.
Da wir nun Advent haben, befasse ich mich gedanklich lieber mit Menschen, die ich für spezielle Eigenschaften bewundere und schätze. Für ihre Selbstreflexion, ihre Fähigkeit zur Schuldeinsicht und zur Entschuldigung, und damit verbunden, für ihre Größe. Ich finde es sehr peinlich und charakterschwach, nicht dazu stehen zu können, wenn man etwas falsch gemacht hat. Trotzdem ist es sehr verbreitet. Aber wie dumm wäre es, diese Aktionen und diese Menschen hervorzuheben, und das, was sie tun, auch noch extra mit Aufmerksamkeit zu „belohnen“? Nein, vielmehr sollte man die Menschen hervorheben, deren Charakter Handlungen zulässt, die erstrebenswert sind!
Die Unterscheidung zwischen beiden „Typen“ ist mir die letzten Jahre immer deutlicher geworden. Lange Zeit habe ich nie Entschuldigungen eingefordert. Ich bin davon ausgegangen, dass ich es nicht wert wäre. Dass ich es nicht verdient hätte, dass man sich mir gegenüber ordentlich verhält, oder sich wenigstens entschuldigt, wenn einmal ein Ausrutscher vorkommt.
Ich kann mich erinnern, als ich vor einigen Jahren von einer Verwandten extrem durch, ich nenns mal "Betrug" enttäuscht wurde. Die Sachlage war klar, in dem Fall sogar schwarz auf weiß und für mich wirklich unglaublich. Im Leben hätte ich damit nicht gerechnet! Und mir war klar, dass ich das beheben muss, es ging damals um etwas. Ich weiß noch, dass obwohl ich wusste und belegen konnte, dass ich im Recht war, unglaubliche Panik vor dem Gespräch und der Konfrontation geschoben habe. Ich habe gezittert, konnte nicht mehr sprechen, hätte am Liebsten nur geweint. Nicht (nur), weil ich enttäuscht war, ich hatte einfach Angst davor, meinen Standpunkt zu behaupten, bzw. behaupten zu dürfen. Irgendwie war in mir verankert, ich hätte nicht das Recht dazu.
Ums kurz zu machen: das ist vorbei. Ich hab diese Haltung mit Übung abgelegt, denn ich finde den Gedankengang dahinter gräßlich. Nicht nur, dass ich mir selbst es nicht wert wäre, vermittelt mir doch jeder, der sich entsprechend verhält, genau das: du bist es mir nicht wert, mich deinetwegen zu einer Entschuldigung herabzulassen. (Im Übrigen finde ich so sarkastisch-beleidigt Pseudo-Entschuldigungen noch eine Spur peinlicher und „fremdschämiger“ als gar keine; diese, oft typisch weiblichen, „na entschuuuldigung ich sag eh nix mehr“ – Meine Güte….) Im ersten Impuls möchte ich denken – nun, dann kannst du mir gestohlen bleiben.
Was mir aber auch in letzter Zeit klar wurde… Es ist einfach Fakt, dass Menschen Fehler machen, und die wenigsten es in sich finden, um Vergebung zu bitten, oder auch einfach nur eine „Einigung“ in Form einer Missverständnis-Regelung zu erwirken. Ja doof, soll ich nun sagen, alle die können mich mal, weil sie mir gegenüber keinen Respekt empfinden, weil ich .. keine Ahnung, jünger, dümmer, dicker, größer, kleiner oder weißderGeierwas bin? Ich… *möchte* es so denken, es wäre mein erster Impuls. Aber ist das so charakterlich so viel größer als die, die so eingenommen von sich selbst sind zu glauben, nie Fehler zu machen?
Ich möchte mir vornehmen, all denen, bei denen ich hoffe dass es kein Dauerzustand ist, zu vergeben. Einfach so! Nicht, weil sie es verdient haben. Sondern vielmehr, weil sie es eben nicht verdient haben.
Diese Überlegung kam mir beim Lesen meines Lieblingsbuches, aus der „Game of Thrones“ Reihe. Ein kleiner Junge fragt seinen Vater, ob man auch mutig sein kann wenn man doch Angst hat. Und der antwortet: Nur dann kannst du mutig sein.
Ich denke mir… Vergebung, weil man es *verdient* hat, in dem man es bereut hat und sich entschuldigt, ist keine Vergebung sondern rechtmäßig erarbeitete Absolution. Vergeben denke ich, kann man also nur dann, wenn es der andere nicht verdient hat.
Aber wo bleibt nun der Lohn für die, von denen ich anfangs gesprochen hatte? Nun…
Ich möchte die Gelegenheit nützen, zwei Menschen hervorzuheben, die Größe bewiesen haben, wiederholt meist. (Ich glaube, wenn mans kann, macht mans immer wenns ansteht, und wenn mans nicht macht kann mans vermutlich nicht, hm…)
Zuerst möchte ich meinem Freund, oder vielmehr "Lebenspartner", ein gedankliches Krönchen verleihen. Ganz einfach, weil ihm noch nie ein Zacken aus selbiger gebrochen ist, wenn er sich bei mir entschuldigt hat. Auch bewundere ich ihn dafür, dass er sogar während eines Streits (die glücklicherweise nicht allzu häufig sind) dazu fähig ist, die Thematik „innezuhalten“, wenn er merkt, dass mir etwas grade sehr zusetzt, und sich um mich zu „kümmern“ – ungeachtet dessen, dass er eigentlich sauer auf mich ist, und sich im Recht sieht. Das hat mich zuletzt tatsächlich sehr beeindruckt, denn, ganz ehrlich – ich weiß nicht ob ich das könnte.
Auf jeden Fall ist er in dieser Hinsicht ein Vorbild für mich, er setzt für mich (fieserweise daher auch für alle, mit denen ich Kontakt habe), einen verdammt hohen Standard fest.
Und unerwähnt möchte ich auch meine Cousine nicht lassen. Mir wurde das vor Kurzem bewusst… Nach einem Vorfall vor ein paar Jahren, bei dem ich wirklich unglaublich sauer war, da sie mein Vertrauen missbraucht hatte, hab ich mir (und ich glaube auch ihr) geschworen, dass, Verzeihen hin oder her, sie so etwas wie Vertrauen von mir nie wieder zu erwarten hätte. Ich glaube mich zu erinnern, dass sie gesagt hat, dass sie das weiß, und sie hat sich dennoch entschuldigt.
Das war nun ein paar Jahre her, inzwischen wohne ich hunderte Kilometer weg, und wir haben nur noch sporadisch Kontakt. Komischerweise aber immer in extremen „Krisensituationen“, eine alte Gewohnheit? Jedenfalls, vor Kurzem hatte ich das Gefühl oder Bedürfnis, mich in einer Sache an sie zu wenden, die ich in der Form noch niemandem erzählen konnte, oder wollte. [Der Vollständigkeit halber möchte ich mir, obwohl es mit dem eigentlich Thema grade nichts zu tun hat, nicht nehmen lassen zu erwähnen, dass ich in den letzten Wochen sososo viel von der Unterstützung von meinem Schatz und der lieben Jule profitiert hab, *herzchen schick*] Jedenfalls, back to topic - Noch während ich mit ihr darüber gesprochen habe, musste ich tatsächlich kurz innehalten und schmunzeln – die Tatsache, dass ich das erzählen konnte, setzte Vertrauen voraus. Ich war also überrascht, irgendwie.
Ich weiß nicht, ob es „gut schmeckt“, mein Vertrauen zu bekommen, ob es nützt, Spaß macht, was bringt, einem was gibt und ob man es daher überhaupt als etwas Erstrebenswertes betrachtet. Aber dennoch, das war vermutlich mein… „Lohn“ dafür, dass sie zu ihrem Fehler stehen konnte. Dass sie ihn nicht abgeleugnet hat, nicht „kleinreden“ wollte, niemand anderem die Schuld in die Schuhe geschoben hat. Sie hat weder ausgetreten in die Richtung „hasts ja verdient“, noch wurde sie sonstwie beleidigend, sie hat sich einfach angehört, was ich ihr vorgeworfen habe. Sie hat keine beleidigte Haltung eingenommen, weil ich ihr (wirklich deutlich) gesagt habe, dass das absolut scheiße war, sondern tatsächlich geschafft, mir glaubhaft zu vermitteln, dass sie sich als (gleichwie beabsichtigt oder „verlaufen“) Verursacher wahrnimmt. Und das hat, Jahre später, Früchte getragen, wie ich es damals nicht vermutet hätte.
In diesem Sinne, euch gilt, stellvertretend für viele, die das können, mein Dank. Ihr seid mir Vorbild, Anreiz an mir zu arbeiten, und ihr ermöglicht es mir, anderen zu vergeben, die nicht so viel Charaktergröße haben wie ihr, weil ich daran glauben kann, dass es trotzdem Menschen gibt wie euch, die mir erlauben, selbst zu wachsen – die mir Wert zuweisen, und mich beschämen wenn sie mir vorführen, was ich selbst vielleicht nicht könnte.
In aller vorweihnachtlicher Schwülstigkeit daher – Danke, macht bitte weiter so.
Immer, immer, immer wieder, meine Liebe, und doch hoffentlich nie mehr so *tausendherzchenzurückschick*.
AntwortenLöschenEin sehr schöner Post und anregend über die eigene Psychohygiene nachzudenken! Danke!
AntwortenLöschenSeit gestern frag ich mich was darauf eine passende Antwort ist, und ich komme drauf, eigentlich hab ich sie ja schon gegeben. *schmunzelt*
AntwortenLöschenIch habs nicht während des Gesprächs gemerkt, sondern erst nachher, ein paar Stunden später, und auch wenn Vertrauen nichts greifbares ist das einem jetzt in irgendeinem materiellen Sinne etwas nützt, und es auch bestimmt nicht Spaß macht weil das natürlich nicht in einer lustigen Angelegenheit dann zum Tragen kommt, sondern natürlich genau im Gegenteil, ist es doch ist es schön zu wissen dass es da ist, besonders wenn es nicht selbstverständlich ist oder man das .. hm, Recht (?) darauf eigentlich verloren hatte. Schmalz Ende.
Mir is das ja bisher nie so aufgefallen. Aber jetzt wo du es sagst... "verdammt bin ich gut." hehe. Nein Spaß. Hmm oder doch? Nein das mach ich natürlich nur weil ich weiß wofür ich das mach und für uns lohnt sich das halt auch einfach. :) Und ein großes Danke für das Lob. (Du weißt ja selbst was das für Folgen hat, hihi *ego-explode*)
AntwortenLöschenIch bin zum ersten Mal auf deinem Blog.
AntwortenLöschenIch kenne dich nicht und noch so gut wie keinen Post von dir (wird gleich direkt nachgeholt) und trotzdem hast du mir mit deinem Beitrag gerade kräftig die Tränen in die Augen getrieben. Wow!
Du bist sehr charakterstark! Du reflektierst dein Verhalten, das Verhalten anderer und sogar noch deine Gedanken.
Ich habe mich ausserdem in vielen Passagen wiedererkannt und das hat mich so erschrocken, dass sich zwei völlig fremde Menschen in einer Sache so ähnlich sein können. Ich hatte das Gefühl, ich lese in meinem Tagebuch. Das hat mich so enorm positiv geschockt, dass mir tatsächlich die Tränen gekommen sind. Das obwohl ich zuvor keine melancholische Grundstimmung hatte.
Danke, dass du ein Stück deiner Gedanken mit uns teilst und für diesen wundervollen Beitrag. Schön zu sehen, dass es noch Menschen gibt, die nicht nur von Rachegedanken getrieben werden.
Ich ziehe meinen Hut vor dir, da du wahrlich großherzig zu sein scheinst!
:-)
Achje!
AntwortenLöschenHerzlich willkommen erstmal :-)
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was ich darauf antworten soll... Auf jeden Fall.. Danke für deine lieben Worte, und es freut mich, wenn du dich gedanklich hier "wiederfindest" (wohlfühlen kann ich wohl an der Stelle nicht schreiben, wenn dich meine Worte offensichtlich an einem weichen Punkt erwischt haben).
Ich wünsch dir dennoch viel Freude beim weiteren Stöbern :-)
Viele weise Worte. Insbesondere der Gedankengang zur Vergebung, der hakt sich gerade in meinen Hirnwindungen fest. Und das ist gut so.
AntwortenLöschenDanke für diesen Beitrag, der mich ein bisschen wachrüttelt. Denn ich halte mich gerne für einen relativ selbstreflektierten Menschen. Was erstmal nicht weiter schlimm ist. Aber ich neige dazu, mich hin und wieder darauf auszuruhen und vergesse oder ignoriere, wie viel Luft nach oben da noch ist. Und da ist ein Text wie dieser genau das Richtige, mich weder zu sanft noch zu grob wachzurütteln. Wirklich, vielen Dank dafür. Denn auch du setzt eine hohe Messlatte, nicht nur die, zu denen du aufschaust.
Oh, ähm... nunja... danke.. ;)
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